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Viel Digitalisierung im Koalitionsvertrag der Österreichischen Regierung


Mit Spannung wurde auf den Koalitionsvertrag der neuen Regierung in Österreich gewartet. Jetzt ist er da. Das erste schwarz-grüne Bündnis auf nationaler Ebene in Europa steht nach wochenlangen Beratungen zwischen der Neuen Volkspartei und den Grünen. Wie sieht es mit dem Thema Digitalisierung im Regierungsprogramm 2020-2024 aus? Was nimmt sich Österreich vor, ein Land, das im E-Government zur Spitzengruppe in Europa zählt? Woran könnte sich Deutschland ein Beispiel nehmen? Ein erster Blick in das neue Regierungsprogramm zeigt, „es ist viel Digitalisierung“ drin, auch wenn die Digitalisierung erst am Schluss in einem eigenen Kapitel aufgegriffen wird. Schwerpunkte der Digitalisierung finden sich neben der Modernisierung der Verwaltung insbesondere in den Bereichen Mobilität und Bildung.
Die neue Regierung bekennt sich zu dem Ziel, Österreich zu einer der führenden Digitalregionen innerhalb der Europäischen Union zu machen. Jede Österreicherin und jeder Österreicher sollen die Vorteile der Digitalisierung in allen Lebensbereichen möglichst eigenverantwortlich, transparent und erfolgreich nutzen können. Die Grundlage für diesen Fortschritt bildet eine flächendeckende, technologieneutrale Breitband-Versorgung in ganz Österreich. Auch die 5G-Vorreiterrolle soll weiter ausgebaut werden. Besonders genannt werden hier autonomes Fahren und Internet of Things.

Neues im E-Government

 Die digitale Verwaltung soll weiter ausgebaut werden. Alle Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sollen nach Möglichkeit Amtsgeschäfte digital abwickeln können. Ziel ist eine durchgängige digitale Abwicklung (von der Einbringung bis zum Bescheid). Das „Digitale Amt“ und oesterreich.gv.at sollen zu zentralen Plattformen für die Interaktion von Bürgerinnen und Bürger mit der Verwaltung ausgebaut werden. Im Focus steht auch unter dem Aspekt persönlicher Datensouveränität die Schaffung eines persönlichen Bürgerkontos, das den Österreicherinnen und Österreicher die einfache, rasche und sichere Erledigung von häufigen Behördenwegen ermöglicht sowie auf einen Blick ersichtlich macht, welche Daten der Staat von ihnen gespeichert hat. Die Angebote sollen schrittweise mehrsprachlich angeboten werden. Wichtige Ausweise wie u.a. der Führerschein, der Zulassungsschein und der Personalausweis sollen in das Digitale Amt integriert werden. Weitere Verfahren wie Verlustmeldung von Dokumenten, Strafregisterauszug, Digitale Vignette sowie partizipativer Instrumente sollen folgen. Schon heute ist die An- oder Ummeldung des Wohnsitzes per App möglich, wie dies eindrucksvoll dem Präsidium des Gemeindetages Baden-Württemberg im Rahmen einer Delegationsreise in Wien im November 2019 demonstriert wurde. Im Gegensatz zu Deutschland verfügt die Alpenrepublik über ein zentrales Melderegister, was vieles vereinfacht.

Ausgebaut werden soll die sichere Zustellung elektronischer Behördenkommunikation durch „E-Zustellung“ auf freiwilliger Basis. Die Einführung einer E-ID soll auch die Nutzung im privaten Bereich, basierend auf einem umfassenden datenschutzrechtlichen Konzept, umfassen.
Um die Digitalisierung in der Verwaltung voranzutreiben wird eine Verpflichtung zur digitalen Kommunikation der Verwaltungsorgane des Bundes untereinander eingeführt. Dort, wo es inhaltlich sinnvoll erscheint und es ausschreibekonform möglich ist, soll eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Post angestrebt werden. Länder und Gemeinden sollen bestmöglich eingebunden werden.

Aufbau einer Landesweite Ö-Cloud

Eingeführt werden sollen eine Ö-Cloud und damit die Schaffung eines nationalen Netzwerks an Servern, auf dem Nutzerinnen und Nutzer in Österreich ihre Daten benutzerfreundlich in der Cloud abspeichern können.
Entsprechend dem von der EU geforderten Once-Only-Prinzips sollen alle relevante Daten bei Verwaltungsbehörden von Bürgerinnen und Bürgern und von Unternehmen nur einmal bereitgestellt werden müssen und ab dann bei unterschiedlichen Behördenwegen automatisiert abrufbar sein, wobei das Prinzip der bereichsspezifischen Trennung der Bürgerdaten aufrechtzuerhalten ist. Neue Gesetze unterliegen künftig einem Digital-Check. Wo immer möglich, sollen Verwaltungsprozesse, die aus neuen Gesetzen entstehen, digital – wenn möglich auch automatisiert – vollzogen werden können. Was die antragslose Verwaltung und damit die Automatisierung von Anträgen und Bewilligungen betrifft, will man weitere Pilotprojekte auf den Weg bringen. Gute Erfahrungen hat Österreich ja bereits mit der antragslosen Familienbeihilfe (in Deutschland vergleichbar mit dem Kindergeld) gemacht. Das Bundesrechenzentrum soll künftig CO-2-neutral betrieben werden. Geschaffen wird auch ein Digitalrat als High-Level-Beratungsgremium der Bundesregierung und der Landesregierungen. Die Kompetenzen der Digitalisierungsagentur sollen weiter ausgebaut werden. Ähnlich dem Strategischen Führungslehrgang des Bundes soll ein „Digital Leadership“ Lehrgang geschaffen werden. Das Unternehmensserviceportal soll zu einer umfassenden Plattform für die Interaktion zwischen Unternehmen und Verwaltung inklusive Förderansuchen ausgebaut werden. Vorgesehen ist auch ein Register- und Systemverbund für Daten der Verwaltung, um die Transparenz für Bürgerinnen und Bürger zu verbessern.

Offene Daten werden als Chance für mehr Transparenz gesehen. Nicht personalisierte Daten des Bundes sollen nach dem Prinzip Open by Default offen zugänglich sein. Basierend auf dem Open Data Screening 2017 erstellt die Bundesregierung einen Maßnahmenplan, um die Verwaltungstransparenz anzuheben. Unterstützungsangebote sollen auch für die Gemeinden erarbeitet werden. Geprüft wird der Beitrag zu der Initiative Open Government Partnership. Weiter heißt es in dem Vertragswerk, dass Möglichkeiten für Unternehmen geschaffen werden sollen, ihre Daten (anonymisiert) miteinander auf freiwilliger Basis teilen zu können.

Österreich will die Schulbildung digitalisieren

Für jede Schülerin und jeden Schüler in der Sekundarstufe I werden digitale Endgeräte zur Verfügung gestellt. Schrittweise werden Schülerinnen und Schüler ab der 5. Schulstufe mit digitalen Endgeräten ausgestattet. Die Geräte können neben dem Unterricht auch außerhalb der Schule – den lokalen und persönlichen Bedürfnissen entsprechend – verwendet werden. Die Vergabe soll an die Qualität schulbezogener Digitalisierungskonzepte gekoppelt werden. Für die digitalen Endgeräte ist ein privater Finanzierungsanteil, allerdings sozial abgefedert, vorzusehen. Die Praxisschulen der Pädagogischen Hochschule werden als digitale Pilotschulen ausgestattet, um für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer optimale Bedingungen zu ermöglichen sowie den pädagogischen Mehrwert neuer Technologien zu testen und zu beforschen.
Österreich will eine Bildungscloud installieren, damit ein zuverlässiger und sicherer Speicher, von dem jeder Lerncontent einfach und schnell ortsunabhängig abrufbar ist, zur Verfügung steht. Darüber hinaus soll ein Serviceportal Digitale Schule entwickelt werden. Das Serviceportal soll eine vereinfachte Kommunikation zwischen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern ermöglichen und administrative und unterrichtsbezogene Aufwände vereinfachen. In den Schulen werden „Digitale Kompetenzen“ als Unterrichtsprinzip verankert. Die schulinternen Fortbildungen werden ausgebaut, damit die Lehrenden ihre Schülerinnen und Schüler in möglichst kompetenter Weise beim Erwerb von digitalen Kompetenzen begleiten können.
Weiter heißt es im Regierungsprogramm, dass Schülerinnen und Schüler sich in allen Fächern digitaler Technologie für ihren individuellen Lernfortschritt bedienen können. Dazu sollen facheinschlägige Kompetenzen z.B. Coding/Programmieren in betreffende Lehrplänen eingearbeitet werden. Im Rahmen der Schulorganisation sollen berufliche E-Mailadressen für das gesamte Personal der Bildungsdirektionen bereitgestellt und genutzt werden.

Mobilität: Digitalisierung – Energieeffizienz – Dekarbonisierung

Neben Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung, der Verbesserung und der Verlagerung von Verkehr soll der Anteil des Umweltverbunds (Fuß- und Radverkehr, öffentliche Verkehrsmittel und Shared Mobilty) deutlich gesteigert werden. Die Menschen sollen echte Wahlfreiheit auf ihren alltäglichen Wegen erhalten, nicht nur in den Städten, sondern auch und besonders im ländlichen Raum. Die Rahmenbedingungen für neue Mobilitätsdienste sollen optimiert und vor allen der Nutzen für alle sichergestellt werden. Neben der Dekarbonisierung sind Digitalisierung und Sharing die größten Innovationstreiber für moderne Mobilität. Daten sollen auch als Grundlage für modiübergreifende Steuerung und Nutzung neuer Geschäftsmodelle zur Erreichung der Klimaziele dienen. Ein weitgehendes stündliche, ganztägliche ÖV-Angebot soll im urbanen Raum und im ländlichen Gebiet durch sämtliche Mobilitätsservices (Bahn, Bus, Bim, Carsharing, Miro-ÖV, Sammeltaxis, Ridesharing-Plattformen…) sichergestellt werden. Geschaffen werden soll eine nationale Buchungsplattform mit transparenten Tarifen inkl. Vereinheitlichung des Ticketing im öffentlichen Verkehr. Entlang der Pendlerstrecken soll der Breitband-Ausbau forciert werden. Bahnhöfe sollen zu Mobilitätsdrehscheiben ausgebaut werden einschl. Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge sowie u.a. Abholterminals für Online-Bestellungen.  Im Bereich der Straßen sollen Sensoren präzise die täglichen Verschleißerscheinungen messen, um dadurch extrapolierte Aussagen zu liefern, wann eine Wartung notwendig ist.

Neue Mobilität – mehr als Verkehr

Reines privates Car- und Ridesharing ohne Verdienstabsicht soll steuer- und gewerberechtlich vereinfacht werden. Österreich will den Innovationsvorsprung bei Mobility as a Service (MaaS) optimal nutzen. Dienste sollen öffentlich in eine vorgegebene MaaS-Architektur integriert werden. Multimediale digitale Mobilitätsplattformen sollen zusammen mit Ticketshops in öffentlicher, als frei zugänglicher „öffentlicher Raum“, offen für alle unter fairen Bedingungen angeboten werden.
Einsatzfahrzeuge/Straßenbahnen etc. sollen mit Sensoren und Kameras ausgestattet werden, um Auffälligkeiten zu identifizieren (Schlaglöcher, defekte Ampeln). Intelligente Straßenlaternen sollen erkennen, ob Personen/Fahrzeuge in der Nähe sind und sich erst dann bei Bedarf einschalten (Stromreduktion). Radargeräte sollen mit Sensoren aufgerüstet werden, um den Verkehrsfluss zu analysieren und ökologisch und sicherheitstechnisch steuernd einzugreifen.

Die Digitalisierung steigert die Ressourceneffizienz und verbessert den Umweltschutz

Für die Landwirtschaft soll eine eigenständige Digitalisierungsstrategie erarbeitet und umgesetzt werden. Für ein Precision Farming sollen die Voraussetzungen geschaffen werden. Geodaten sollen für die Land- und Forstwirtschaft kostenlos bereitgestellt werden.
Fazit: Das Regierungsprogramm enthält noch an vielen weiteren Stellen Hinweise zum Einsatz digitaler Instrumente. Erfreulich ist, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen weitgehend konkret sind und auf lediglich plakative Darstellungen verzichtet wurde. Auch in der neuen Regierung gibt es ein Ministerium für Wirtschaft und Digitalisierung. Margarete Schramböck wird dieses Ministerium leiten. Sie war auch in der Vorgängerregierung mit diesen Aufgaben betraut. Alles deutet darauf hin, dass Österreich seinen Vorsprung in Sachen Digitalisierung erhalten und weiter ausbauen will. Für Deutschland heißt dies, mit der Aufholjagend ernst zu machen. Im Rahmen der bereits angesprochenen Delegationsreise von Bürgermeistern aus Baden-Württemberg im vergangenen November nach Wien, gab es auch ein Gespräch mit der Übergangsministerin für Digitalisierung, Elisabeth Udolf-Strobl. Auf die Frage, wann Österreich sich auf den Weg gemacht hat, die Digitalisierung voranzutreiben sagte sie: „Vor zehn Jahren haben wird neidvoll auf das Land Baden-Württemberg geschaut, wir wollten in Europa besser werden“. Das war das äußere Signal für den Beginn der Aufholjagd. Es ist ihnen offenbar gelungen. „Machen“ lautete damals die Direktive, heute ist es wohl nicht anders.
Franz-Reinhard Habbel
 

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