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Keine Angst vorm Internet

Industriebrachen, Scherben, Schmutz. Der Gestank von Altöl, soziale Konflikte am Horizont und das überwältigende Bild eines brennenden Flusses. Was sich nach der postapokalyptischen Welt des Videospiel-Giganten „Fallout“ anhört, war einmal Realität. Cleveland, Ohio gehörte einst zur Riege der stolzen Städte rund um die Great Lakes, wo das Herz der amerikanischen Industrie schlug. Doch mit der Zeit holte sie das gleiche Schicksal ein, wie es auch Detroit und andere Städte der Region ereilte: Aus dem „Manufacturing Belt“ wurde der „Rust Belt“. Inzwischen ist Cleveland aus dieser Einöde wie ein Phoenix aus der Asche wieder auferstanden.
Einen großen Anteil an der Wiederbelebung der Stadt hat die think[box], ein Zentrum für Innovative, Tüftler und Künstler in dem Ideen freien Lauf haben und zu wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen heranwachsen können. Es war die Idee der Freiheit, die die think[box] zu einem Erfolgsmodell machte. Jedem sollte Raum gegeben werden, seine Ideen und Konzepte Wirklichkeit werden zu lassen. So wurden über die Zeit Prototypen entwickelt und Firmen gegründet und es etablierte sich ein neuer Spirit, der einem Ödland neues Leben einhauchte.
Die wirtschaftlich lange graue Maus Berlin hat sich in den letzten Jahren zu einem wahren Hotspot für die Digitalwirtschaft entwickelt. Nirgendwo sonst in Deutschland werden so viele Startups gegründet. So ist es wenig überraschend, dass es Zentren für junge Unternehmen gibt. Eines davon ist die Factory. Hier arbeiten 1.000 meist junge Menschen aus allen Teilen der Erde zusammen und die Aufbruchsstimmung ist förmlich zu greifen. Es herrscht ein entspanntes, freundschaftliches Ambiente. Alle eint die Idee hier etwas Großes, Nachhaltiges, Neues zu schaffen. Wegen des großen Erfolgs und der noch größeren Nachfrage nach Plätzen wird bald eine neue Dependance mit 3.000 Plätzen in Kreuzberg gegründet werde. Die graue Maus Berlin ist nicht mehr. Sie wurde auf dem Weg Berlins zum Creative Capital Europas einfach liegen gelassen.
Regensburg sind die Probleme Berlins oder Clevelands eher unbekannt. Die Stadt an der Donau investiert dennoch in junge Startups und Technologieunternehmen. Was sicherlich nichts Überraschendes ist — es macht wirtschaftlich nur Sinn Zukunftsindustrien anzusiedeln — ist in Regensburg dennoch einzigartig. Denn hier sind es nicht Unternehmen, die dem Nachwuchs Raum zum Ausprobieren geben, es ist die Stadt selber. Die „TechBase“ ist eine Kooperation zwischen öffentlicher Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft, die es so nicht einmal in den USA gibt. Obwohl sie erst in diesem Jahr eröffnet wurde, finden sich in dem Bürogebäude mit Labor, Café und Entspannungsinseln heute schon 64 Unternehmen wieder. Diese werden von der Stadteigenen R-Tech GmbH betreut, um bei Knackpunkten auf dem Weg zum Erfolg unterstützend einzugreifen. Gerade bei der Finanzierung ist das ein sehr effektiver und wichtiger Ansatz. Denn hier scheitern die meisten Startups, wenn sie denn scheitern. Darüber hinaus helfen die Mitarbeiter der R-Tech auch bei den bürokratischen Hürden, die gerade in Deutschland häufig undurchsichtig und kompliziert sind.
Bürokratische Hürden und schwierige Finanzierung: Das sind die beiden Punkte, die Menschen mit Ideen für Startups die meiste Angst bereiten. Das Scheitern scheint vorprogrammiert zu sein. Dass diese Punkte in naher Zukunft grundlegend von oberster Stelle vereinfacht werden, ist eher unwahrscheinlich. Doch das Beispiel Regensburg zeigt, dass es mit Einsatzwillen und Engagement auch auf diese Herausforderungen Antworten gibt. Dass so einem Engagement eine enorme Entlohnung folgt, zeigen vor allem Berlin und Cleveland. Wenn alle an einem Strang ziehen — Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft — kann auch Deutschland es schaffen eine Hochburg für innovative Jungunternehmen zu werden. So können mit ausgewiesenen engagierten Experten aus dem Public Sector Lösungen für die Brennpunktthemen in der Gesellschaft wie Mobilität, Gesundheit, Bildung und Sicherheit erarbeitet werden. Das wäre eine Art „Factory for Public“. Ich bin sicher, viele junge Leute aus deutschen Verwaltungen können sich eine Art Tätigkeit auf Zeit in einem solchen Ambiente vorstellen. Wenn Verwaltung sich modernisieren will, muss sie auch dorthin gehen, wo das Neue das Licht der Welt erblickt. „Keine Angst vom Internet!“ würde so als Ermutigung verstanden, was Neues auszuprobieren.
Autoren: Franz-Reinhard Habbel und Jonas Wiggers

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